Vor fast 100 Jahren, am 4. April 1925, fand im Felsenkeller Leipzig der letzte „Logenball“ statt. Einmal im Jahr lud bis dahin die „Loge zum blauen Krokodil“ zu diesem Ball ein, der wie kein anderes Ereignis das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Messestadt prägte. Stars und Sternchen, Bürger und Arbeiter, Glücksritter und Boheme feierten hier miteinander. Im glamourösen Ballsaal schwang Bürgermeister Karl Rothe neben Marlene Dietrich das Tanzbein, der junge Willy Brandt traf beim Schwof auf den Leipziger Opernintendanten Guido Barthol, die VfB-Torwartlegende Ernst Raydt saß mit Leipziger Unterweltgrößen in erster Reihe bei Anita Berbers verruchten Tanzdarbietungen.
Leipziger Künstler wie Max Seliger oder Willy Semm verwandelten den Felsenkeller in eine expressionistische Traumlandschaft. Bühnenkünstler wie die „Original Excentric Band“, die legendären „Weintraubs Syncopators“, der Plagwitzer „Neugeystvereyn Kokolores“, das Leipziger „Rosenthal Quartett“ und viele andere begeisterten das Leipziger Publikum. Man kann ohne Übertreibung sagen: Der Logenball war der Hotspot der Leipziger Stadtgesellschaft der 1920er-Jahre.
… So hätte es sein können. Wäre nicht bei Sanierungsarbeiten in den 80er-Jahren das Archiv des Felsenkellers vernichtet worden, wüssten wir mehr über das wilde kulturelle Leben im Felsenkeller der 1920er-Jahre. Die 2023 wieder gegründete „Loge zum blauen Krokodil“ lässt sich davon nicht beirren und veranstaltet am 11. April 2026 den Ball, der 100 Jahre zuvor im Felsenkeller so hätte stattfinden können.
Loge zum blauen Krokodil
Das Gründungsdatum der „Loge zum Blauen Krokodil“ ist nicht genau bekannt. Die Loge, die zeitweise auch unter dem Namen „Abenddämmerung“ firmierte, wird erstmals Ende des 18. Jahrhunderts erwähnt. Bekannte Mitglieder waren der Okkultist Johann Georg Schrepfer, die Logenmeister Hubertus von Teltsch und Karl Pillach, C.H.C. Beckmann (der Vater Max Beckmanns), die Gebrüder Naumann (Inhaber der Naumann Brauerei), der Archäologe Alfred Lucas oder der Komponist Hanns Eisler. Die liberale Loge war unter anderem dafür bekannt, dass sie früh die Mitgliedschaft von Frauen ermöglichte. Legendär war der von der Loge seit Ende des 19. Jahrhunderts bis 1925 veranstaltete „Logenball Leipzig“, das wichtigste gesellschaftliche Ereignis Leipzigs in dieser Zeit.
Nachdem während der DDR-Zeit der Loge die Betätigung untersagt wurde, formierte sie sich in den 2020er-Jahren neu. Mitglieder der Loge erkannten die Notwendigkeit, getreu dem Logen-Motto „resurgens e ruinis“ einen Raum für kulturelle Begegnungen zu schaffen, der die Menschen wieder näher zusammenbringt. Mit der Wiederbelebung traditioneller Veranstaltungen möchte die Loge einen positiven Beitrag zur Stadtgesellschaft leisten.
Aktuell wird die Loge vom geheimnisvollen Graf Alexander von Hohenstein geleitet. Von Hohenstein meidet die Öffentlichkeit und kommuniziert ausschließlich über enge Vertraute. Trotz seiner Schweigsamkeit wird ihm ein tiefer Einfluss auf die Loge und ihre Aktivitäten nachgesagt. Seine zurückhaltende Präsenz und seine visionäre Führung haben die Loge in eine neue Ära geführt. Unter seiner Leitung wird die „Loge zum Blauen Krokodil“ 2026 nach 100 Jahren den „Logenball Leipzig“ am angestammten Ort, dem Felsenkeller Leipzig, wiederbeleben, ein Symbol für die Rückkehr kultureller und gesellschaftlicher Blüte in die Stadt.